Sonntag, 15. November 2009

山寺 Yamadera: 1110 Stufen in den Himmel

Donnerstag, 17.09.2009

So hart und lange Tetsuo auch arbeiten muss, er findet immer Zeit, um sich für mich einen neuen Reisevorschlag auszudenken und meine Reise minutiös zu planen.

Für heute hat er mir vorgeschlagen, die Tempelanlage in Yamadera zu besuchen. Wie immer, hat er mir einen genauen Ablaufplan für die Zugfahrten nebst Alternativen aufgeschrieben. Und so sieht sein Plan für heute aus:



Wie man sieht, soll neben den kulturellen Genüssen auch das leiblich Wohl nicht zu kurz kommen. Soba sind Nudeln aus Buchweizenmehl, die man in vielerlei verschiedenen Variationen essen kann. Manche Restaurants sind darauf spezialisiert und es gibt Orte, wie Yamadera, die für ihr Soba berühmt sind. Wer mehr über Soba wissen möchte, wird bei Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Soba_(Nudeln) fündig.

Um zum Bahnhof Tohoku-Fukushidai-mae (was für ein Zungenbrecher für Europäer!) zu gelangen, brauche ich nur die Straße hochzugehen und nach 15 Minuten bin ich schon am Ziel. Es ist ein kleiner,moderner Stadtteilbahnhof, direkt neben der Universität.



Yamadera liegt zwischen Sendai und Yamagata. Mit der Senzan Linie, einem Lokalzug, dauert die Fahrt von Sendai nach Yamadera etwa eine 3/4 Stunde. Vorbei an Reisfeldern, Bauernhäusern und kleineren Ortschaften fährt der Zug in immer enger werdende Täler und durch Tunnels. Dann erreichen wir Yamadera.

Yamadera heißt auf Deutsch "Bergtempel" und der kleine beschauliche Ort zwischen hohen Bergen, die mich an das Alpenvorland erinnern, trägt denselben Namen. Mein Vis-a-vis Reiseführer listet im Index über 100 Tempel und Schreine einzeln auf, davon die meisten in Kyoto, aber über Yamadera verliert er kein Wort. Das ist mir nicht unlieb, denn so kann man diese eindrucksvolle Anlage in Ruhe und unbehelligt vom Touristenrummel begehen und betrachten. Die Anlage zieht sich vom Tal weit hoch hinauf in den Berg. Vom Bahnhof kann man auf einer Aussichtsplattform hinüberschauen und einzelne Bauten zwischen den hohen Bäumen erkennen. Die meisten liegen aber versteckt im Wald. Einen guten Eindruck über die Lage der über 40 Tempelgebäude vermittelt die Tafel auf dem Bahnsteig.




Nur wenige Besucher, alles Japaner, verlassen den Bahnhof und machen sich auf den Weg. Ich reihe mich ein, gehe ich doch, nicht zu Unrecht, wie sich erwesien sollte, davon aus, dass alle demselben Ziel zustreben.  Ein Japaner spricht mich beim Verlassen des Bahnhofs an, er möchte wissen woher ich komme. "Doitsu kara kimashita" (ich komme aus Deutschland). "Ah, doitsu jin desu" (Ah, Sie sind Deutscher) und er strahlt über das ganze Gesicht. "Guten Tag, eine kleine Nachtmusik!" Ich singe ihm die Melodie des 1. Satzes vor und wir beide lachen. Es ist eine sehr lustige Begegnung, wie ich noch viele in Japan erleben sollte. Ein Stück gehen wir zusammen, bis zur Hauptstraße, dann vielleicht 300 m nach rechts, vorbei an typischen Restaurants und Souvenirläden, und schon stehen wir an der Treppe, die zum Eingang hinauf führt.



Mein Wegbegleiter geht voraus, als ich anfange, zu fotografieren. Kaum bin ich bis zur halben Höhe hochgestiegen, kommt er mir schon wieder entgegen. doch ich lasse mir Zeit, lasse dieses einmalige Ensemble auf mich einwirken und fotografiere, denn an Motiven hapert es wahrlich nicht.

Ein sehr schöner japanischer Garten fesselt zuerst meine Aufmerksamkeit.



Es ist ein langer Weg nach oben, mein japanischer Begleiter hat mir 803 Stufen aufgezeichnet, in Wikipedia (Stichwort: Yamadera) steht, dass es 1110 Stufen sind.  Ich zähle sie nicht. Wie dem auch sei, der Aufstieg ist beschwerlich und ich muss das eine über das andere Mal innehalten, um zu verschnaufen.

Yamadera ist eine der ältesten Tempelanlagen in Japan. Der Überlieferung nach hat der buddhistische Priester Jikaku Daishi (Ennin) 860 mit dem Bau des Haupttemples, des Konponchudo, begonnen. Es ist das erste Gebäude, das man auf dem Weg nach oben sieht. Die Tempel sind sehr schön in die Landschaft und den Wald mit riesigen Zedern eingebettet. Manche sieht man erst nach einer mühseligen Kletterei, wenn die Treppe ploetzlich eine andere Wendung nimmt. Etwa auf halber Höhe geht man durch das große Tor, ganz aus Holz gebaut.



Ganz oben angekommen, vor dem Heiligtum Okunoin, ist man wirklich dem Himmel nah. Von hier aus bietet sich ein herrlicher Ausblick auf die darunterliegenden Gebäude im Wald. Freien Ausblick auf den Ort Yamadera und die gegenüberliegenden Berge, an deren Fuß sich die Gleise der Senzan Linie schlängeln, um sich bald im Tunnel zu verlieren, hat man vom Godaigo. Das Gebäude ist direkt auf einem hervorstehenden großen Felsen errichtet und man hat eine unverstellte Sicht auf die grandiose japanische Berglandschaft. Unvergesslich!













Der Abstieg vollzieht sich weit weniger mühevoll als der Aufstieg und bald bin ich wieder unten im Tal.

Großen Hunger habe ich nicht, also verzichte ich auf Soba. Es wird sich bestimmt während meines Aufenthaltes in Japan noch eine Gelegenheit dafür ergeben.

Ich muss nicht lange auf den Zug warten. Müde, aber voller Eindrücke, fahre ich zurück nach Sendai.

2 Kommentare:

Inka hat gesagt…

Nichts geht doch über einen wirklich guten Reiseführer, der weiß, was wirklich interessant ist und was Freude macht.
Die Tempelgärten und Pagoden sind wirklich sehr imposant und eindrucksvoll, ebenso dein Bericht, der ein exaktes Bild liefert.
Die 1100 Stufen waren sicher angestrengend, aber es lohnte sich! Bei mir hat der Bericht auf jeden Fall Lust darauf gemacht, das ebenfalls zu erleben!

Nihonnotomodachi hat gesagt…

Hallo Inka,
danke für den Kommentar. Falls Du nach Japan kommen solltest muss Du unbedingt Yamadera anschauen. Es lohnt sich.