Dienstag, 10. November 2009

"Beruto ga arimasuka" oder japanischer Gürtel für einen Tag

Ich erwische gerade noch den Zug nach Kitakata. Kitakata ist eine kleine Stadt, aber berühmt für ihre schönen alten Läden.

Mich beschäftigt aber zunächst der Gedanke, wie ich an einen neuen Gürtel komme. Es war mir in der Samurairesidenz in Aizu-Wakamatsu schon sehr unangenehm, immer die Hose hochziehen zu müssen.

Wenn man die Bezeichnungen der Läden nicht versteht, weil man die Kanji nicht kennt, gibt es nur eins, so lange zu suchen, bis man ein vermeintlich passendes Geschäft gefunden hat. Ob es reine Ledergeschäfte gibt, weiß ich nicht, also halte ich mich an Geschäfte, die Kleidung verkaufen. Das erste, dass ich betrete, scheint schon Fehlanzeige zu sein, denn ich sehe nur Frauenkleider auf den Bügeln hängen. Ich möchte auf dem Absatz kehrt machen, aber im Hintergrund sitzen 2 Damen und begrüßen mich sehr höflich. Jetzt ist es egal, dachte ich, ob ich mich blamiere, jetzt trage ich einfach mein Anliegen vor.

"Beruto ga arimaska". Das heißt auf Deutsch. "Haben sie Gürtel"? Beruto klingt etwas komisch für dieses Kleidungsstück, aber der Begriff lässt sich erklären, wenn man ihn von einem Japaner ausgesprochen hört.
Japanische Wörter sind aus Silben zusammengesetzt. Alleinstehende Konsonanten gibt es nicht, mit Ausnahme des n. Wenn man jetzt das Wort Be-ru-to japanisch ausspricht und man weiß, dass ein r zwar als r geschrieben, aber eher als l gesprochen wird und wenn man weiter weiß, dass die Vokale u und o am Silbenende nur leicht angedeutet werden, dann spricht sich das Wort so aus: Be-l-t. Und siehe da, wir erkennen das englische Wort für Gürtel wieder, das in die japanische Sprache Eingang gefunden hat, wie sehr viele andere Lehnwörter. Um auch in der Schrift deutlich zu machen, dass belt ein Lehnwort ist, schreiben es die Japaner in einer eigenen Schrift, die Katakana heißt. Be-ru-to wird dann so geschrieben:
 べ ル ト. Wäre es ein genuin japanisches Wort, würde man es in der älteren Schrift, Hiragana genannt, schreiben und es würde so aussehen:  べ る と.  Der Vorteil für die Japanischlernenden ist, dass man schon an der Schrift erkennen kann , ob es sich um ein original japanisches Wort oder ein vom Ausland übernommenes Lehnwort handelt, das natürlich auch oft stark japanisiert wird. Beispiel: "department" wird zu "depa-to", "supermarket" zu "su-pa", "knife" zu "naifu" usw.

Doch jetzt wieder zurück zum Gürtelkauf. Es gelingt mir, mich verständlich zu machen und tatsächlich zieht eine der beiden Damen, wohl die Chefin, eine Schublade auf, in der 3 Gürtel für Männerhosen liegen. Ein Strahlen geht über mein Gesicht, das sich jedoch beim Anprobieren des ersten Gürtels deutlich abschwächt. Japaner sind nicht nur kleiner als Europäer, sie haben auch einen kleineren Bauchumfang! Doch so schnell wird nicht aufgegeben und siehe da, der 3 Gürtel passt so einigermaßen. Doch nächstes Problem die japanischen Gürtel sind nicht so einfach wie die europäischen: Schließe mit Dorn für das Loch im Gürtel. Nein, dieser Gürtel ist ein elegantes Bauchgebinde und dazu noch ein kleines Wunderwerk japanischer Technik. Einer Technik, die ich allerdings nicht beherrsche - und wie sich im Laufe des Tages zeigen wird - auch nicht beherrschen werde. Auch die nette Japanerin, die sich so liebevoll um mein Anliegen kümmert, weiß nicht weiter. Wir schaffen es nicht, den Gürtel festzumachen. Vielleicht möchte sie mich auch nicht so direkt anfassen, um den Gürtel zu schließen. Doch Hilfe naht in Gestalt des Chefes, der gerufen wird und vom Oberstock herunter kommt. Er hat denselben Gürtel an ud kennt also das System. Ein schwieriges Unterfangen gelingt, wobei ich mich allerdings frage, warum der Gürtel so schwer in die Schließe gezwängt werden muss. Für 1 000 Yen, etwa 7 €, geht der Gürtel in meinen Besitz über. Die Einladung der netten Frau, eine Tasse Tee mit ihnen zusammen zu trinken, nehme ich gerne an.

Ich kürze jetzt etwas ab. Im Laufe des Tages bin ich doch sehr froh, dass ich, um einem Bedürfnis nachzugehen, nicht die Hosen herunterlassen muss, denn ich bekomme den Gürtel nicht mehr aus der Schließe herausgewürgt. Trauriges Ende einer sehr kurzen Beziehung zwischen dem schmucken Stück und mir ist, dass ich ihn am Abend durchschneiden muss, um mich wieder zu befreien.

Kitaka wird mir immer als die Stadt mit dem Gürtel in Erinnerung bleiben. Aber natürlich auch als die Stadt mit den alten Geschäften, deren Auslagen ich auf meinem Spaziergang in der heißen Mittagsonne betrachte.
Vor dem Eingang zu einem Wohnhaus an einer sehr belebten Straße sehe ich ein kleines Wasserrad, das von einem Strahl aus einem Bambusrohr angetrieben wird.


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